„Prachtmöbelstücke stehen in allen Räumen“

von | 08. April 2021 | Blog, Historische Presse

1934 erschien im Demminer Tageblatt ein Artikel über Broock. Der Autor spaziert durch das Schloss und lässt die einst reiche Ausstattung vor unserem inneren Auge wieder auferstehen. Die Beschreibung des Interieurs führt uns den Zustand des Gebäudes, so wie wir es 2017 übernommen haben, doppelt schmerzhaft vor Augen. Plünderungen, der Abbau von „Baumaterial“, über 40 Jahre Leerstand und Verfall fordern enorm viel Phantasie, um sich die einstige Pracht vorzustellen.

Wir haben den Artikel als spannendes Zeitdokument 1:1 abnotiert, ohne Korrekturen, inklusive der „historischen Orthographie“. Da uns nur sehr wenige historische Fotografien der Inneneinrichtung vorliegen, haben wir uns für Bilder aus der Zeit vor Beginn der Baumaßnahmen entschieden, um den Text zu illustrieren.

Ein Artikel aus dem Demminer Tageblatt von 1934, signiert mit „Br.“.

Besuch auf Schloß Broock, einem der schönsten Herrensitze Vorpommerns.

„Man muss schon ganz genau mit vorpommerscher Geographie vertraut sein, wenn man dahin finden will: nach Schloß Broock. Und muß sich auch das zweckmäßigste Beförderungsmittel auswählen, wenn man richtig hinkommen will, denn die Zufahrtsstraßen sind, wie in hiesiger Gegend so oft, nicht für jedes Fahrzeug geeignet. Wer ganz bequem und gemächlich fahren will, steigt in Demmin in die Kleinbahn und in Alt-Tellin wieder aus – nach einem kleinen Fußmarsch von eindreiviertel Kilometern langt man am Ziele an. Mit ziemlicher Sicherheit! Jedem anderen Fahrzeug kann es passieren, daß es auf den Zufahrtsstraßen eine Panne hat, im Sand stecken bleibt oder die steilen Berghänge nicht bewältigt, die das Tollensetal an dieser Stelle überall umlagern. Ueber Siedenbrünzow, Vanselow und Neu-Tellin geht der Weg von den Höhen am Nordufer der Tollense zu unserem Ziel; über Hohenmocker, Tentzerow und Buchholz von der anderen Seite.

Abb. 01: Preußisches Messtischblatt. Zum Broocker Gutskomplex gehörten zu Zeiten der größten Ausdehnung die Güter und Vorwerke Buchholz, Hohenbüssow, Siedenbüssow, Tentzerow, Hohenmocker und Sternfeld.

Abb. 01: Preußisches Messtischblatt. Zum Broocker Gutskomplex gehörten zu Zeiten der größten Ausdehnung die Güter und Vorwerke Buchholz, Hohenbüssow, Siedenbüssow, Tentzerow, Hohenmocker und Sternfeld.

An einem Wochenende wanderten wir von Tentzerow in Richtung Broock – erst über Felder, auf denen der Roggen noch in Hocken stand, dann über den Buchholzer Kirchweg, der dieses Gut mit Hohenmocker verbindet. Lang und schmal läuft dieser Weg bergauf, bergab, an der höchsten Erhebung der Umgegend vorbei die man zu Vermessungszwecken mit einem Holzgerüst und obenauf mit einer Fahne gekrönt hatte. Weit schweift der Blick von hier ins Land: auf der einen Seite bis an die Waldhänge des mitteleren Kreises Demmin, bis nach Törpin oder Lindenberg und dahinter bis an die mecklenburgischen Grenzhöhen, bis an den Cummerower See, im Nordosten aber bis nach Anklam und Greifswald. Davor laufen dann die baumbestandenen Straßen Demmin-Jarmen und Jarmen-Treptow, die man weithin im Geländer verfolgen kann. Manches weiter Liegende ist durch die Waldreviere der Broocker Herrschaft verdeckt; im Osten liegt das Revier Hohenbüssow, im Westen Buchholz, die sich beide bis fast an die Tollense hinunterziehen und so Kulissen in der Landschaft bilden.

Unser Weg geht weiter: über die Höhe hinüber, an Gut Buchholz vorbei, auf die Broocker Straße, die zum Tollensetal hinunterführt. Beiderseit des festen Dammes liegt hier zuerst das Dorf Buchholz mit den Arbeiterhäusern des Gutes; dann schneidet der Weg tief in das umgebende Gelände ein, biegt rechtsum, und schon sieht man die großen Zinnen des Broocker Schlosses vor sich. Alleen von Linden und Pappeln führen näher an das Schloß heran – man blickt, nah herangekommen, über weite Rasenflächen auf die weiße Front des Schlosses, die von Seitentürmen flankiert wird. Seitlich der Hauptallee, die am Park des Schlosses entlangführt, liegen Koppeln, auf denen Schimmel, kleine Ponys, Rennpferde, Zebukühe weiden – über diese Zuchten und Broocker Gestüte hat das „Demminer Tageblatt“ bereits berichtet. –

Das Schloß.

Wir betraten es durch einen Seiteneingang. Ein langer Flur zieht sich im Erdgeschoß an den Verwaltungsräumen der Seckendorffschen Güter und an Treppen vorbei, die zu den tiefer liegenden Küchenräumen, oder als Nebenaufgänge zu Personalzimmern führen.

Abb. 02: Blick vom Seiteneingang in den Korridor, in die ehem. Verwaltungsräume und in das Dienstboten-Treppenhaus.

Abb. 02: Blick vom Seiteneingang in den Korridor, in die ehem. Verwaltungsräume und in das Dienstboten-Treppenhaus.

In die große Halle gelangt man: um einen riesigen Kamin stehen hier hohe Polster-Lehnstühle, die an gleichartige Kaminecken in den „Hallen“ alter englischer Adelsschlösser erinnern. Felle decken den Boden – alte Meisterwerke an Schränken stehen hier an den Wänden.

Abb. 03: Die Eingangshalle mit Kamin.

Abb. 03: Die Eingangshalle mit Kamin.

Türen führen dann in Wasch- und Garderobenräume – eine andere öffnet sich und gibt den Blick auf das Arbeitszimmer des Schloßherrn frei, dessen Inneres die vielen Interessen seines Bewohners verrät. Man sieht nicht nur an den Wänden zahlreiche Jagdtrophäen, sondern auch auf Tischen Jagdliteratur, Bücher der verschiedensten Gebiete, vor allem aber Bücher über Pferdezucht, da der Besitzer dies Ganzen ja ein in ganz Deutschland und darüber hinaus bekannter Züchter ist. Die Bibliothek schließt sich an: Uralte Geschichtsbände bringen Kunde vom Geschlecht derer von Seckendorff, erzählen über die Schicksale der verschiedenen Linien dieses Stammes.

Abb. 04: Blick von der Halle in das Arbeitszimmer des Barons – Blick vom 1. Stock in die Bibliothek und vom Hochparterre.

Abb. 04: Blick von der Halle in das Arbeitszimmer des Barons – Blick vom 1. Stock in die Bibliothek und vom Hochparterre.

Ueberaus … [Anm.: Die folgende Textpassage ist in der Kopie des Artikels leider unleserlich]… Eingangshalle, die oben erwähnt wurde, gehen wir durch Glastüren in einen großen Raum, den Garten Saal, der durch viele Fenster den Blick auf den Park freigibt. Durchblicke durch die Flucht der anschließenden Zimmer öffnen sich von hier nach beiden Seiten.

Abb. 05: Blick von der Halle in Richtung Gartensaal – Der Gartensaal [ohne Ausblick].

Abb. 05: Blick von der Halle in Richtung Gartensaal – Der Gartensaal [ohne Ausblick].

In einem der nächsten Räume steht ein sog. großes „Napoleonbett“, das aus der Versteigerung eines französischen Herzogschlosses stammt. Eine „Blücheruhr“ findet sich hier auch – der Marschall Vorwärts soll sie auf seinen Kriegszügen mit sich geführt haben. Deutlich sieht man die Stelle, an der einmal eine Kugel in den Gehäusekasten der Uhr einschlug. –

Abb. 06: 1945 lagerten einige Ausstattungsstücke auf dem Dachboden, so auch das „Napoleonbett“. Die kleinen Engelsfiguren wurden bis vor kurzem im [mittlerweile geschlossenen] Regionalmuseum Demmin aufbewahrt und gezeigt.

Abb. 06: 1945 lagerten einige Ausstattungsstücke auf dem Dachboden, so auch das „Napoleonbett“. Die kleinen Engelsfiguren wurden bis vor kurzem im [mittlerweile geschlossenen] Regionalmuseum Demmin aufbewahrt und gezeigt.

Prachtmöbelstücke stehen in allen Räumen – man bleibt alle Augenblicke bewundernd stehen, wenn man die feine Arbeit sieht, die bei Herstellung dieser Möbel schon damalige Tischlermeister geleistet haben. In Vitrinen steht wundervolles Porzellan der ersten deutsch Manufakturen; (teilweise ein Geschenk Friedrichs des Großen an einen Vorfahren derer von Seckendorff); altes Silber glänzt aus Glasschränken. Gemälde der Meister verschiedener Epochen schmücken die Wände – alle einen sehr großen Wert repräsentierend. Eine Sammlung alter Original-Riedinger Stiche ist hier ebenfalls vorhanden.

Abb. 07: Die Zimmerflucht [Enfilade] – Die ausgeplünderten Salons, ohne Türen, Stuckdecken, Vertäfelungen, Parkettböden. Man braucht viel Phantasie, um sich hier kostbare Möbel, Gemälde, Seidentapeten und mit Silber und Porzellan gefüllte Vitrinen vorzustellen.

Abb. 07: Die Zimmerflucht [Enfilade] – Die ausgeplünderten Salons, ohne Türen, Stuckdecken, Vertäfelungen, Parkettböden. Man braucht viel Phantasie, um sich hier kostbare Möbel, Gemälde, Seidentapeten und mit Silber und Porzellan gefüllte Vitrinen vorzustellen.

Vorhänge verdecken weitere Flügeltüren, deren erste in das Musikzimmer des Schlosses führt. Eine Orgel mit 520 Pfeifen steht hier. Schwellende Polster können die Gäste aufnehmen, die den Klängen der Orgel lauschen wollen. Durch Glastüren sieht man hier in den Wintergarten, der neben Tropengewächsen eine reichhaltige Zusammenstellung von Kakteen enthält.

Abb. 08: Kleiner Vorflur des Musikzimmers – Das Musikzimmer, mit vermauerten Zugängen zum Wintergarten – Die Reste des Wintergartens.

Abb. 08: Kleiner Vorflur des Musikzimmers – Das Musikzimmer, mit vermauerten Zugängen zum Wintergarten – Die Reste des Wintergartens.

Von der oben erwähnten Halle aus führt eine breite Treppe in den oberen Teil des Schlosses. An dem großen Jagdbilde, das hier hängt, von den Geweihen der besten Broocker Hirsche umgeben ist, und den Hubertus-Hirsch darstellt, sind durch zweckmäßige Anordnung der Beleuchtung Lichtwirkungen erzielt, die den Besucher – wenn er abends hier heraufsteigt – staunend stehen lassen.

Abb. 09: Blick durch die Halle zum Treppenhaus – Das Treppenhaus [links und rechts die Eingänge zur Garderobe und zu einem „Waschraum“].

Abb. 09: Blick durch die Halle zum Treppenhaus – Das Treppenhaus [links und rechts die Eingänge zur Garderobe und zu einem „Waschraum“].

Geweihe füllen die obere Halle, Geweihe in jeder Form zu Möbeln verarbeitet. Alles, aber auch das kleinste Stück in diesem Raum, ist aus Hirschhorn gearbeitet. Diese Möbel entstammen dem ehemaligen kaiserlichen Jagdschloß Platte bei Wiesbaden.

Daneben liegt ein saalartiger Raum, in dem die Abwurfstangen der Hirsche aus den Broocker Forsten liegen, wohlgeordnet nach Jahrgängen. Man überwacht so die Geweihbildung des Rotwildes und hat gleichzeitig eine Hegekontrolle.

Abb. 10: Die obere Halle, mit Blick über den Wirtschaftshof – Der Saal, mit eingestürzter Kuppel-Stuckdecke.

Abb. 10: Die obere Halle, mit Blick über den Wirtschaftshof – Der Saal, mit eingestürzter Kuppel-Stuckdecke.

Beiderseits schließen sich nun Gästezimmer und die Wohnräume des Hausherrn an, ebenfalls mit schönen alten Möbeln, gleichzeitig aber mit letztem Komfort ausgestattet. Es ist eine lange Flucht von Zimmern, die hier die Gäste beherbergen. Oft sind berühmte Leute hier zu Besuch gewesen und haben sich in den Mauern dieses weitläufigen Schlosses wohlgefühlt, was man ihnen nachfühlen kann, denn für einen Stadtmenschen, der in einen solchen Bau und in eine solche Umgebung hineinkommt, ist hier alles verzaubert, alles wie im Märchen. –

Abb. 11: Oberer Korridor mit Arkaden zur oberen Halle – Eines der ehemals „komfortablen“ Gästezimmer im 1. Stock.

Abb. 11: Oberer Korridor mit Arkaden zur oberen Halle – Eines der ehemals „komfortablen“ Gästezimmer im 1. Stock.

Wir besahen noch die langen Stallgebäude, die Reitbahn, die Wirtschaftsgebäude. Alles dies rundet das Bild ab, das Schloß Broock bietet, formt es zu einem einheitlichen Ganzen, eben: einem der schönsten Herrensitze Vorpommerns.“

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